AUFRUF der HOTLIST-2024-JURY gegen das Sterben UNABHÄNGIGER VERLAGE

ES GIBT ZU VIEL ZU VERLIEREN – VERHINDERT DAS STERBEN DER UNABHÄNGIGEN VERLAGE IN DEUTSCHLAND!

Während die konzerngeprägte Seite des Literaturbetriebs sich mit dem Deutschen Buchpreis wieder selbst feiert, sehen sich die meisten unabhängigen Verlage in Deutschland mit größten Problemen konfrontiert und müssen um ihre Existenz fürchten. Die Gefahr für die Vielfalt der Buchkultur wird von Politik und Gesellschaft nicht genügend ernst genommen oder ist unbekannt. Aus diesem Anlass möchte die diesjährige Jury des Hotlistwettbewerbs der unabhängigen Verlage sich mit einem Appell an die deutsche Öffentlichkeit wenden.

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>>>Während die konzerngeprägte Seite des Literaturbetriebs sich mit dem Deutschen Buchpreis wieder selbst feiert, sehen sich die meisten unabhängigen Verlage in Deutschland mit größten Problemen konfrontiert und müssen um ihre Existenz fürchten. Die Gefahr für die Vielfalt der Buchkultur wird von Politik und Gesellschaft nicht genügend ernst genommen oder ist unbekannt. Aus diesem Anlass möchte die diesjährige Jury des Hotlistwettbewerbs der unabhängigen Verlage sich mit einem Appell an die deutsche Öffentlichkeit wenden. Dies ist sein Wortlaut:

ES GIBT ZU VIEL ZU VERLIEREN – VERHINDERT DAS STERBEN DER UNABHÄNGIGEN VERLAGE IN DEUTSCHLAND!

Mit großer Sorge sehen wir, die Jury der Hotlist 2024, die aktuellen Entwicklungen in der Welt der unabhängigen Verlage. Immer mehr dieser Häuser in Deutschland stehen wirtschaftlich vor dem Aus, wie jüngst zum Beispiel die medialen Hilferufe der Edition Nautilus, des Korbinian oder des Hirnkost Verlags verdeutlichten. Viele Verlage kürzen aus finanziellen Gründen still ihre Programme, setzen sie aus oder stellen die Verlagstätigkeit ganz ein. Eine von der Bundes- beauftragten für Kultur und Medien beauftragte Studie zu staatlichen Fördermaßnahmen des deutschen Buchverlagswesens kam bereits 2021 zu dem Ergebnis, dass „insbesondere kleine und unabhängige Verlage durch die aktuellen Ereignisse und Entwicklungen im Verlagswesen in ihrer Existenz gefährdet sind“. Um die verlegerische Vielfalt zu erhalten, wurde daher eine strukturelle Verlagsförderung empfohlen. In der Schweiz und in Österreich existiert eine sol- che Unterstützung seit vielen Jahren, in Deutschland wurde sie bislang noch immer nicht umge- setzt. Und das, obwohl hier jeder vierte Verlag die aktuelle wirtschaftliche Lage seines Unter- nehmens als schlecht bewertet, wie das Börsenblatt im Herbst 2023 in einer Umfrage unter 100 unabhängigen Verlagen ermittelte. Im September 2024 wurden die Ergebnisse einer Studie ver- öffentlicht, wonach besonders die unabhängigen Häuser durch die Folgen von Corona und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine einen signifikanten Umsatzrückgang zu verzeich- nen hatten. Die gestiegenen Papierpreise, die Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation und die Krise des Einzelhandels in den Innenstädten schlagen bei den Indie-Verlagen viel stärker zu Buche als bei den großen Häusern. Sicher, auch Verlage sind Wirtschaftsunternehmen, die sich am Markt behaupten müssen. Aber ebenso leisten sie einen besonderen Beitrag zu einer demokratischen und pluralistischen Meinungsbildung. Durch ihre spezifischen Themen, ästhetischen Ansätze und ihren Mut, auch we- niger verkäuflichen Stimmen ein Gehör zu verschaffen, bilden sie ein wichtiges Korrektiv zu den kommerzieller ausgerichteten Konzernverlagen. Marginalisierte Gruppen, unpopuläre Meinun- gen und avantgardistische Sprechweisen erhalten in den Büchern aus unabhängigen Verlagen Raum. Verschwinden die Indies, verstummen auch diese Stimmen. Vielfalt und Engagement unabhängigen Verlegens verdeutlichen in besonderer Weise auch die über 200 Einreichungen für die diesjährige Hotlist. Umso mehr, als es sich beim Preis der Hotlist um eine genreoffene Auszeichnung handelt. Relevant sind somit nicht nur Romane und Sachbücher, die für gewöhnlich die meiste Aufmerksamkeit erhalten, sondern auch Graphic Novels, Lyrikbände, Essays, Anthologien, Bildbände oder Publikationen, die Genregrenzen wagemutig hinter sich lassen. Darüber hinaus gehört der Preis der Hotlist zu den wenigen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum, für die auch Übersetzungen eingereicht werden kön- nen. Gleich sechs davon finden sich unter den zehn Büchern, die wir in diesem Jahr auf die Hotlist gewählt haben – Übersetzungen aus dem Dänischen, Italienischen, Bulgarischen, Französischen, Englischen und dem Tschechischen. Gerade die unabhängigen Verlage setzen sich ver- stärkt für Übersetzungen aus den sogenannten kleinen Sprachen ein und ermöglichen uns damit einen literarischen Zugang zu einer Welt, die uns sonst verschlossen bliebe. Unter dem Stich- wort „Bibliodiversität“ wird sich seit Jahren dafür eingesetzt, dass wir eben nicht nur Romane aus den USA lesen können, sondern auch Lyrik aus dem Kosovo oder Comics aus Simbabwe. Unabhängige Verlage sind kein verzichtbarer Schmuck am Rand des Buchmarktes. Sie sind not- wendige Orte der Kritik und der Wissensproduktion. In einer Zeit, in der demokratiefeindliches Gedankengut immer tiefer in die Gesellschaft einsickert, braucht es Bücher aus unabhängigen Verlagen als Gegengewicht. Denn hier findet das statt, wovor populistische Ideolog:innen am meisten Angst haben: Meinungs- und Formenvielfalt. Deswegen benötigen unabhängige Verlage besondere Unterstützung, ähnlich der Theater und Museen in Deutschland. Wir – die Jury der Hotlist 2024 – fordern mit großer Dringlichkeit, eine staatliche strukturelle Förderung unabhängiger Verlage so schnell wie möglich einzuführen.

Die Jury der Hotlist 2024 Bozena Badura (Literaturwissenschaftlerin, Moderatorin und Crossmedia-Literaturkritikerin, Das Debüt @dasdebuet und literaturwelten.com), Moers Ludwig Lohmann (Literaturvermittler und Podcaster bei blauschwarzberlin.de), Berlin Andreas Pätzold (Buchhandlung Kapitel 10), Zürich Simona Pfister (Autorin, freie Journalistin für die FAS und Kolumnistin für Das Magazin), Zürich Tino Schlench (freier Kritiker und Blogger literaturpalast.at), Wien

Der Forderung nach einer strukturellen Verlagsförderung zum Schutz der Vielfalt auf dem deutschen Buchmarkt schließen sich als erste Mitunterzeichnende an: Die Mitglieder des Kuratorium des Vereins der Hotlist: Ruth Eising, re-book, Bonn | Dagmar Fretter, bis 2023 Kunststiftung NRW, Hamm am Rhein | Judith Heckel, Hamburg | Reinhold Joppich, ehem. Kiepenheuer & Witsch, Köln | Julia Knapp, Orell Füssli, Zürich | Katarina Rafailović, @kata_____lovic, Bremen | Manuela Reichart, u. a. DLR Kultur, WDR, RBB, Berlin | Anya Schutz- bach, Literaturhaus Wyborada, St. Gallen | Senta Wagner, Lektorin, Wien Der Vorstand des Vereins der Hotlist (vertreten durch Axel von Ernst / Lilienfeld Verlag) Schöne Bücher (Netzwerk unabhängiger Verlage, vertreten durch Jens Korch / Edition Wannenbuch<<<